Der einzige Steppensee Mitteleuropas liegt zwischen den östlichsten Bergen der Alpen im Westen und einem Teil der Ungarischen Tiefebene, dem sog. Seewinkel, im Osten. Die Grenze zwischen Österreich und Ungarn folgt hier also keinen natürlichen Grenzen. Aus biologischer Sichtweise ist das Neusiedler See - Gebiet ein Raum, geprägt von Teilen verschiedener Landschaftsräume: alpine, pannonische, asiatische, mediterrane und nordische Elemente machen sich bemerkbar, was zur Artenvielfalt deutlich beiträgt.
Eichenwälder prägten vor der Beeinflussung durch Menschen die Landschaft des Seewinkels. Trockene oder salzige Stellen wiesen schon damals geringen Gehölzbewuchs auf. Große Pflanzenfresser wie Rinder hielten wohl mehr oder weniger große Bereiche „waldfrei“ und wurden später durch Herden von Haustieren "ersetzt".
Frühere Zeiten:
Die Gegend des Seewinkels wurde über viele Jahre hinweg durch menschliche Einflüsse geprägt.
Den Rodungen folgten Weidewirtschaft und Heumahd, dann Entwässerungen.

Wie in den meisten Naturgebieten in Europa zählen auch am Neusiedler See einige Elemente der Kulturlandschaft zu den schützenswerten Lebensräumen. Die steppenartige Landschaft des Seewinkels ist von menschlicher Nutzung geprägt. Rodung der Wälder, Landnutzung durch Heuverwendung und durch Beweidung und später die Entwässerung haben im Lauf der Zeit das Landschaftsbild geändert.
Durch die Nutzung des Menschen entstanden Lebensräume, die sonst innerhalb kurzer Zeit weitgehend „verwalden“ oder „verschilfen“ würden. Die Erhaltung und Wiederherstellung dieser seltenen Ökosysteme ist das Ziel der Arbeit des Nationalparks.
Über lange Jahre mussten sich die am See ansässigen Menschen dem Wechsel feuchter und trockener Zeiten fügen. Mit der Weiterentwicklung der Entwässerung weiter Feuchtgebiete durch Anlegen von Entwässerungsgräben wurden neue landwirtschaftliche Flächen gewonnen und leider ging dabei wertvoller Lebensräum verloren.
Heutige Zeiten:
Mit der Intensivierung der Landwirtschaft änderte sich die Lage am Neusiedler See schnell: Ackerflächen und Weinkulturen drängten Brut- und Nahrungsräume der Vögel stark zurück, Habitate vieler Pflanzenarten gingen leider verloren. Der Rückgang der Viehwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten schließlich ließ den Bedarf an Weideland sinken, wodurch aber hohe und dichte Vegetation - im Seerandgelände und rund um die Lacken (salzige flache Seen) vor allem Röhricht - wachsen konnte.

Das Pflegekonzept in der Schutzzone des Nationalparks zielt also auf die Verbesserung der Biotopqualität innerhalb der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Berücksichtigt werden dabei nicht allein Erkenntnisse aus laufenden Forschungen, sondern auch Erfahrungen aus der angestammten Landwirtschaft.
Die Pflegemaßnahmen haben seit Bestehen des Nationalparks schon in vielen Teilgegenden zur Wiederherstellung von Lebensräumen geführt. Ein erwünschter Nebeneffekt zeigen die Beweidungsprojekte für das Besucherverhalten: Graurinder, Mangalitzaschweine, Weiße Esel und Przewalski-Pferde sind beliebte Tiere. Sie ziehen bestimmte Besucher an und entlasten so andere, sensiblere Teilgebiete des Nationalparks.
Jahres Zeiten: Winter am Neusiedler See
Der Winter am See kann mit zuweilen Temperaturen unter -15°C knackig kalt sein. Dazu kommt lange anhaltender, eisiger Wind. In der Regel liegen die Grade aber um den Gefrierpunkt. Was auf den ersten Blick eher sehr ungemütlich erscheinen mag, hat durchaus seine ganz eigenen Reize.


Der Neusiedler See wird, nicht in jedem Winter und manchmal auch nur für kurze Zeit, zum größten Eislaufstadion Mitteleuropas.
Bei sonnigem Winterwetter sind auch Wanderungen in der zumeist nur ein bisschen verschneiten Landschaft des Sees ein eindrückliches Erlebnis. Wenn es dann mal richtig ergiebig schneit, kann es durch den Wind zu lästigen aber schönen Schneeverwehungen kommen. Dann entstehen sog. Schneewechten in den unterschiedlichsten Formen und Größen.
Die kalte Jahreszeit beginnt im Herbst mit den eintreffenden Gänsen aus dem Norden. Je nach Witterung können im Seegebiet bis zu 38.000 Gänse (Blässgänse, Saatgänse und Graugänse) gesichtet werden. Aber auch viele weitere Vögel aus nördlichen Ländern finden im Seewinkel gute Überwinterungsmöglichkeiten.
So ziehen Kornweihen und Mäusebussarde über die winterliche Landschaft. Verschiedene Möwen- und Entenarten tummeln sich an den nicht zugefrorenen Gewässern. Um die Ortschaften treffen sich Scharen von Singvögel, die den unwirtlichen Temperaturen trotzen.

In der Natur gibt es unterschiedliche Methoden, um den Winter gut zu überdauern. Pflanzen halten Winterruhe, sterben oberirdisch ab um aus ihren Knollen im Frühling wieder frisch auszutreiben oder überdauern als Samen und keimen im nächsten Jahr aus.
Auch in der Fauna gibt es solche sog. „Dauerstadien“. Bei einigen Insekten sterben die erwachsenen Tiere, aus den überwinternden Eiern schlüpfen im Frühling dann neue Generationen. Manche Säuger, wie das hier häufige Ziesel, halten Winterschlaf. Andere, wie viele Amphibien, suchen frostfreie Orte auf, wo sie ihren Stoffwechsel auf ein Minimum herunterfahren.
Viele Vögel ziehen, bevor es richtig kalt wird, in mildere Gegenden. Andere bleiben auch hier am See. Die Bartmeise zum Beispiel lebt im Sommer fast nur von Insektennahrung. Im Winter aber frisst sie im Schilfgürtel auch Schilfsamen.
Feder- und Säugetiere, die auch im Winter unterwegs sind, versuchen wenig Kalorien zu verbrauchen. Bei tiefen Temperaturen der Umgebung steigt der Energieanteil der wichtig ist, um die Temperatur des Körpers zu halten. Störungen können im Winter also schlimme Folgen haben, weil durch unnötige Bewegung oder Flucht Energie verbraucht wird.
Jahres Zeiten: Frühling am See

Die Pegel der Lacken und des Haupt-Sees sind nach den Wassermengen des Winters im Jahresverlauf i.d.R. am höchsten. Auch die tiefer gelegenen Wiesen sind im Frühling mehr oder weniger überflutet. Mit steigenden Temperaturen und damit höherer Verdunstung gehen die Pegel dann zurück.

Es ist unmöglich, die im Frühling vorkommenden Naturereignisse hier aufzulisten. Im Weiteren findet sich deshalb eine kleine Auswahl interessanter Fakten, was dann nicht sagen soll, dass hier nicht geschriebenes weniger interessant ist.
Die Balz der Großtrappen, die niedlichen Gänseküken, brütende und wandernde Limikolen, überall der Vogelgesang, Froschgequake am Abend, Blütenwiesen, im Mai die Wiederkehr der Bienenfresser aus Afrika... Der Frühling am Neusiedler See – oder Seewinkel hat unzählige Attraktionen.
Schon des Winters kommen die ersten Kiebitze und Rotschenkel. Ab März viele weitere Watvogelarten im Gebiet an: der Säbelschnäbler, die Uferschnepfen, Kampfläufer, Goldregenpfeifer und viele mehr!
Besonders spannend sind die halsbrecherischen Balzflüge der Kiebitze. Der Frühjahrszug vieler Vögel dauert bis in den Juni und ist meist er im Mai am besten zu bestaunen.
Jahres Zeiten: Der Sommer am Neusiedler See

Je nach den Wasserständen im Frühjahr ist bis mehr oder weniger lang in den Sommer hinein Wasser in den verschiedenen Lacken vorhanden. Trocknen diese seichten Gewässer ganz aus kommt es an der Oberfläche zu so genannten Salzausblühungen.
Die Natur stellt sich auf verschiedene Art und Weise auf diese Umweltbedingungen ein. Einige Pflanzen begeben sich in eine sommerliche Ruhepause und stellen ihr Wachstum vorübergehend ein. Die Vögel, die noch wenige Wochen zuvor in feuchten Wiesen gebrütet haben, sammeln sich nach und nach an den noch mit Wasser gefüllten Lacken. Ab August beginnen sich viele Arten auf den Wegzug vorzubereiten. Immer wieder kann man größere Ansammlungen von Uferschnepfen beobachten, Störche stochern in gemähten Wiesen nach Nahrung.

Ein äußerst spektakuläres Ereignis stellt der abendliche Gänsestrich an Gewässern wie der Langen Lacke oder den Überflutungsflächen bei Mekszikopuszta dar. Ein Schauspiel, das an sich eher aus dem Spätherbst und Winter bekannt ist lässt sich, wenn auch nicht mit so hohen Gänsezahlen, ab Mitte Juli bis in den August auch bei wesentlich angenehmeren Temperaturen beobachten.
Wenn mit der Verdunstung auch der Wasserspiegel des Neusiedler Sees fällt kann es dazu kommen, dass Bereiche des Schilfgürtels vom offenen See abgeschnitten werden. Verschiedene Reiherarten sammeln sich dann an schilffreien Bereichen innerhalb des Schilfgürtels um die eingeschlossenen Fische zu verzehren.
Jahres Zeiten: Der Herbst am See
Bienenfresser kommen im Frühherbst in größeren Scharen auch direkt in die Dörfer des Seewinkels. Wo sie vor dem Wegzug in die Überwinterungsgebiete nach Afrika noch genügend Insekten-Nahrung zu sich nehmen können.


Bis weit in den Oktober sind Vogelarten auf ihrem Zug in die Wintergegenden zu beobachten. Arten zum Beispiel Kiebitzregenpfeifer oder Sanderling. Aber auch Zwergstrandläufer, der seltenere Sichelstrandläufer, Alpenstrandläufer oder Dunkler Wasserläufer halten hier an den Seewinkellacken eine Rast und suchen Nahrung.
Weitere Limikolen wie der Säbelschnäbler, Kiebitze und auch der Große Brachvogel versammeln sich am See um dann auch weiter nach Süden zu wandern. Der Wasserstand an den Lacken ist wichtig für große Scharen vieler Enten im Nationalpark.
Während in nassen Jahren die Salz-Lacken als Ruheplatz für Krick-, Stock-, Schnatterente sind, nutzen die Tiere nach regenärmeren Jahren eher die Zonen im unteren Teil des Sees.


Wenn im Norden die Grade hinunter gehen und auch im Seewinkel der Winter beginnen möchte, dann treffen immer mehr Gänsevögel im gemeinsamen österreichisch-ungarischen Seengebiet ein. Sind es im September und Oktober noch fast ausschließlich Graugänse, so verändert sich das Verhältnis der unterschiedlicher Spezies bis zum November immer mehr zugunsten der nordischen Gänsearten. Neben der Saatgans ist es u.a. die Blässgans, die in Mengen von tausenden Tieren das Gebiet als Herbst- und Winterrastplatz nutzt.
Wann genau das sehr spektakuläre Naturschauspiel - der Gänsestrich - stattfindet, lässt sich immer nicht leicht vorhersagen. Es hängt maßgeblich von den Temperaturen in viel weiter nördlich gelegenen Ländern, ab wann die Gänsehorden im Neusiedler See - Gebiet eintreffen.