Reisebericht / Suriname

Abenteuer in Suriname - Reisebericht

"Auf der Suche nach dem Tieflandfelsenhahn"
15. Juni 2025

Südamerika

Suriname

Abenteuer in Suriname - Reisebericht

Als ornithologische Reiseleiter und Natur-Reiseleiter verbringen wir rund sechs Monate im Jahr in Mittelamerika.

Tiefland-Felsenhahn 
Vorzugsweise in Costa Rica und in Panama. Über Weihnachten ist jedoch in diesen katholischen Ländern Ausnahmezustand. Und so ist es dann unmöglich, Rundreisen zu veranstalten. Wir haben dann Zwangspause oder Urlaub, wie man es nennen mag. Nun ist es auch nicht schlimm, in Costa Rica oder Panama einige Wochen zu verweilen, um seine Arbeit im Büro ein bisschen besser und mit Ruhe erledigen zu können. Und natürlich dann einmal privat diese tolle Natur genießen zu können. Zumeist nutzen wir aber diese Zeit, um auch neue Reiseziele auszukundschaften und in Nachbarländern Hotspots für Naturfreunde und Ornithologen zu finden. Im letzten Winter war das in Suriname. Ich selbst kannte das Land schon von früheren Besuchen. Aber jetzt nach der Coronapandemie hatte sich vieles verändert und so wollten wir uns noch mal vor Ort ein Bild machen.

  

Tief im Amazonasregenwald: unterwegs im Regenwald von Suriname

Wir hatten ziemlich genau drei Wochen, um einerseits den Großraum Paramaribo mit einem Mietwagen kennen zu lernen, neue Hotels auszuprobieren. Somit um Reiseziele, die Naturfreunde und Ornithologen ansprechen, zu testen. Denn die Qualität der Beratung und intensive Landeskenntnisse dann bei der Gestaltung guter Naturreisen sind uns wichtig.

Spontan kam uns dann die Idee, einen mehrtägigen Regenwaldausflug zu machen, um den legendären Tieflandfelsenhahn zu "spotten". Wir hatten es noch nie gesehen, dieses „verrückte orange Huhn“. Und wir hatten davon gehört, dass es eine Region gibt, in der die Möglichkeit besteht, ihn zu finden. Das war leichtsinnig.

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Per 4x4 durch den Amazonaswald 

Also gemacht, getan, buchten wir die dreitägige Tour in einem seltsamen, zwielichtigen Office in Paramaribo inklusive An-und Abtransport. Ohne ganz genau zu studieren, was mit dieser Tour an Strapazen ins Haus steht.

 

Kamlesh war unser Guide, er holte uns frühmorgens in Paramaribo an einem zentralen Hotel ab. Er sprach etwas Englisch und natürlich Niederländisch.  Mit uns begab sich noch eine Handvoll junger Touristen mit auf die Abenteuertour. Unter anderem eine Gruppe von belgischen Krankenschwestern in Ausbildung. Sie wollten aber alle nur bis zur dem Ausgangspunkt der Regenwaldexpedition, dem Fungu Eiland, mitfahren, also nicht den Tieflandfelsenhahn suchen.

 

Das Auto, in welches wir einstiegen, ließ erahnen, welche Piste uns erwarten würde.

Unsicher fragte ich Kamlesh, wie lange wir ungefähr unterwegs sein werden, auf der Piste, um dann auf ein Boot umzusteigen. Es war, wie vorher angekündigt, nämlich eine 4x4-Strecke zu absolvieren und eine Bootstour, um zu Fungu Eiland zu kommen. Er deutete an, dass es den ganzen Tag dauern würde. Okay, angefangen, dann wird’s auch durchgezogen. Der Weg ist das Ziel.

 

Aus Paramaribo südlich heraus fuhren wir zunächst die noch ganz passable Straße in Richtung Flughafen,welcher sich rund 50 km südlich der Hauptstadt des 500.000-Einwohner Staates befindet. Hinter Zanderij ging es auf die „West Verbinding“, einer einfachsten Lehm- und Schotterpiste immer Richtung Westen.

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Driverguide Kamlesh 
Denn wir wollten versuchen in rund 3-4 Stunden Fahrzeit die Bootsanlegestelle (Lehmufer) am Coppename Rivier zu erreichen. Kamlesh machte seine Sache gut, obwohl die Straße sehr „naturbelassen“ war. Spuren, tiefe Wasserlöcher und Matschpfützen allen Orten. Dann große Lastwagenungetüme, mit Stämmen von Regenwaldriesen beladen und teilweise im Matsch feststecken. Immer wieder gab es die Notwendigkeit, sehr langsam im kleinsten Gang und mit Allradantrieb durch kritische Stellen hindurch zu fahren. Wir wurden kräftig durchgeschüttelt und durchquerten dabei ein völlig unbesiedeltes Gebiet mit unberührtem Regenwald. Nur zum Pinkeln gab’s kurze Pausen. Schließlich erreichten wir an dem Fluss die improvisierten Anlegestelle und konnten das einfache, offene Motorkanu mit unserem Gepäck besteigen. Eine notdürftige Plane sollte unsere Ausrüstung vor dem drohenden Regen schützen. Wir wollten ja den Fluss 3-4 Stunden aufwärtsfahren, und genau aus dieser Richtung zogen sehr dunkle Wolken heran. Alles in allem war das Kanu nach meinem Dafürhalten (ich war mal Segler und Kanadierfahrer) mit 14 Leuten plus Gepäck reichlich überladen und an der Außenkante hatte es noch 5-10 cm Freibord.
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Pause am Coppename Rivier 
Aber ich sagte mir, die Kollegen hier sind Profis und sie wissen, was sie tun. 

 

Auf dem wilden Coppename Rivier

Es folgte eine wunderschöne Regenwaldflussfahrt. Kein Dörfchen, keine Plantage nur dichter Regenwald war zu sehen. Die Wolken wurden dichter und Regen begann. Erst recht zögerlich, dann wie unter der Dusche. Das offene Motorkanu füllte sich mehr und mehr mit Regenwasser und wurde dadurch nicht unbedingt leichter. Den Captain und seinen Assistenten sowie Kamlesh kümmerte das relativ wenig. Sie versuchten, sich mit Plastikfolien vor dem Regen zu schützen. Und folgten stoisch ihrem Kurs durch die rechts und links aus dem Wasser ragenden Felsen und Sandbänke. 

 

Durch den Regen und die schlechter werdende Sicht musste das Tempo etwas reduziert werden und es deutete sich an, dass die Fahrt länger dauern würde.

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Motorkanu für 14 Leute 
Ich schaute auf die Uhr und dachte bei mir: Nun, das wird wahrscheinlich dunkel werden. Wenn es weiter regnet und wir durch die Dunkelheit durch diesen Wild-Fluss müssen, wird das nicht lustig.

Das Boot hing so tief im Wasser, dass wir mehrmals aussteigen mussten um anzuschieben, wenn wir auf Sandbänken festhingen.

 

Also nicht alle Passagiere, aber natürlich die „starken Männer“. Mein Vormann schaute mich an und fragte sich: Hier könnte es doch Piranhas und Krokodile geben? Und schaute auf seine Füße, ob er seine Sandalen für das den Sprung ins Wasser ausziehen sollte? Nass war ohnehin alles bis auf die Haut, der Regen war heftig. 

Wie von mir vermutet, schafften wir es vor Einbruch der Dunkelheit nicht. Es wurde dunkel und die Fahrt wirklich gefährlich. In solchen Momenten ärgere ich mich ein bisschen über die sonst so von uns Mitteleuropäern viel beneidete Eigenschaft der Einheimischen, in den Tag hinein zu leben und unbekümmert zu sein.

 

Der Bootsführer war kaum in der Lage, bei der schlechten Sicht, ohne Beleuchtung, die Spitze des Bootes zu sehen und fuhr doch mit geschätzten rund 5-6 Knoten die Stromschnellen flussaufwärts im Slalom durch die Felsen. Gegen 19:30 Uhr erreichen wir die Unterkunft im Stockdunkeln. Kein Strom, kein Licht. Diese Unterkunft im Regenwald ist auch normalerweise nicht bewohnt, sondern wird dann nur von den ankommenden Gästen oder Besuchern genutzt. Von einer Unterkunft zu reden, ist vielleicht auch etwas übertrieben. Es sind offene Hütten mit Holzspaltenboden, auf Stelzen gebaut und mit einem halbdichten Dach.

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Matratzenlager 
Die Verpflegung, Essen und Trinken, war von unserer Crew im Motorkanu mitgebracht worden. Diese Dinge, inklusive Trinkwasser, mussten nun allesamt von den Guides und uns bis zur Hütte geschleppt werden. Wohl gemerkt, im Dunkeln ohne Beleuchtung. Auf glitschigen Wegen, ohne Treppen ohne Befestigung. Also Abenteuer pur. Wer jetzt hier ein komfortables Dinner erwartet hätte, sah sich getäuscht. Trotzdem war es gut essbar, was die Kollegen zauberten.

 

Es war dann ein wirklich geselliger Abend mit netten Gesprächen. Kaum einer hatte sich diesen Ausflug so vorgestellt. Wir hatten ein Einzelzimmer bestellt, welches aber seinen Namen eigentlich nicht verdiente. Einfachste Pritschen mit versifften Matratzen und einer Sanitärzelle, die nicht benutzbar war, fanden wir vor. Baulich und hygienisch in einem unbeschreiblichen Zustand, ohne Fliegengitter. Die Mitreisenden hatten sich das Schlafpodest im Freien "gegönnt", wahlweise mit Hängematte oder schmutziger Matratze.

 

Die Expedition zum Tieflandfelsenhahn

Der Morgen war wunderschön: Auf dieser sonst unbewohnten Insel waren wir inmitten des Amazonasregenwaldes, fernab von jeder Zivilisation. Da darf man natürlich auch nicht meckern, dass es kein zivilisierten Standard gibt.

 

Wir hatten uns für den heutigen Tag einen einheimischen Guide reserviert. Man hatte uns gesagt, er würde den Weg zum Tieflandfelsenhahn kennen.

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Deluxe Zimmer 
Nach dem Frühstück erfuhren wir, dass er zuletzt vor der Pandemie mit Gästen in dieser Sache unterwegs war. Er machte einen abgerissenen und ärmlichen Eindruck, so dass ich vermutete, dass er natürlich das Geld brauchte und uns in jedem Fall führen wollte. Ich wollte ihn dann auch nicht enttäuschen und wir zogen los. Zu Beginn ging es noch auf Pfaden, die auch von anderen genutzt wurden. Richtige Wege gibt es hier keine. Dann, nach rund einer Stunde, zweigten wir vom Pfad ab und kämpften uns dann durch den unberührten Regenwald. Unser Guide mit einer Machete voraus. Es war kein Weg erkennbar, auch vom Guide nicht. Die Orientierung fiel mir schwer, denn die Sonne war durch das dichte Blätterdach nicht sichtbar. Und so ging es Stunde um Stunde mal ein bisschen hinauf mal ein bisschen herunter, teilweise unter Baumstämmen durchkriechend durchs wilde Gebüsch. Wir schwitzen und griffen in Dornen, Stechinsekten umschwirrten den Kopf. Was hatte ich noch über Malaria gelesen? Ich war froh, die große Kameraausrüstung nicht dabei zu haben. Sie wäre spätestens jetzt Schrott gewesen. Ich schaute Sabrina an, die schon ihre Zweifel hatte, ob unser Guide den Weg noch kennen würde. Er rauchte einen Joint nach dem anderen, um sich besser zu erinnern. Auch mir kamen langsam Zweifel. Plötzlich wich seine doch deutliche Unsicherheit einer Euphorie: er hatte eine Eingebung, sich erinnert und Anhaltspunkte gefunden; es sollte nicht mehr weit sein.

 

Erst hörten wir sie dann sahen wir sie: die berühmten orangen Tieflandfelsenhähne. Zuerst nur einen einzelnen Felsenhahn und dann eine ganze Gruppe bei der Balz. Ein wunderbares Spektakel, welchem wir rund eine Stunde folgten. Aus rund 5 m Entfernung konnten wir ohne zu stören zuschauen. Jetzt ärgerte ich mich natürlich, dass ich meine Kamera nicht dabeihatte. So mussten wir mit dem Handy und vorgehaltenem Sucherfernglas improvisiert Aufnahmen machen. Aber da ging es letztendlich nicht drum, das Erlebnis war hier zu stark, um dann noch wirklich ans Bildermachen zu denken. Völlig fertig, verschwitzt, zerstochen, genossen wir diesen Augenblick.

Auch unser Guide wirkte erleichtert, diesen Ort doch noch gefunden zu haben. Setzte sich etwas abseits auf eine Wurzel und rauchte noch Einen.

 

Ich machte mir nun wieder so meine Gedanken, ob er denn jetzt auch den Rückweg finden würde, ohne Markierungen, ohne irgendwelche Anhaltspunkte, ohne Kompass?

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Blick vom Zimmer auf den Coppename 
Aber das machte er schließlich ganz hervorragend, er hatte sich den Weg gut eingeprägt. Und ich hatte alle 30 bis 40 m Zweige umgeknickt: Alter Indianertrick!

Rund eine Stunde vor der Dunkelheit erreichten wir dann wieder Fugu Eiland, die Flussinsel und Unterkunft. Sabrina und ich, aber auch unser Guide waren bis an unsere physischen Grenzen gegangen. Die letzten zwei Kilometern hatte er barfuß zurückgelegt, seine Gummistiefel schmerzten ihn.

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unser Birdguide sucht 

 

Humboldt und Parbo-Bier

Wir durften uns dann gerne vor Ort die Erlebnisse der übrigen Reiseteilnehmer anhören. Sie hatten einen super Regenwaldwalk absolviert, auf freigeschnittenen Wegen, eine Flussfahrt in einen Seitenarm hinein genossen und am Nachmittag im Coppename Fluss gebadet. Somit hatten alle das gemacht, was sie wollten, waren zufrieden und begeistert. Da mir die Dusche in unserer Unterkunft mir eher unbenutzbar erschien, zog ich auch ein Bad im Fluss vor. Man sollte sich hier aber immer vorsehen, wegen der Piranhas keine blutenden Wunden oder die Periode zu haben und mit den Zitteraalen nicht so direkten Kontakt zu pflegen.

 

Beim Abendessen konnten wir uns dann weiter über die erlebten Abenteuer austauschen. Jeder war begeistert von der überschäumenden Natur und so tauschten wir viele Bilder und Videos aus. Das Parbo-Bier schmeckte heute "echt lekker" und es war auch besser, in etwas betäubten Zustand dann ins „Zimmer“ zu gehen. 

 

Am nächsten Morgen hatten wir noch ein wenig Zeit, die unbeschreibliche wilde Regenwaldnatur hier zu genießen. Dann absolvierten wir die ganze Prozedur der Anreise wieder rückwärts herum. Zunächst die Bootstour, diesmal mit etwas weniger Ballast, da ja die Lebensmittelvorräte etwas geschrumpft waren, dann mit dem 4×4 und Fahrer-Reiseleiter Kamlesh über die Piste zurück bis nach Paramaribo.

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Sabrina ahnt das Ziel 

 

Dort erwartete uns das Apartment, welches wir auch schon vorher bewohnt hatten. Es war in diesem Moment schön, wieder in der Zivilisation zu sein; wir möchten dieses Regenwaldabenteuer aber auch nicht mehr missen. Wer so etwas in dieser Einfachheit erlebt hat, versteht ansatzweise, wie damals Forschende wie Humboldt zurechtkommen mussten. Wir hatten ja noch motorbetriebene Fahrzeuge und ein Team, welches uns mit Essen versorgt hat und uns den Weg gezeigt hat. In der Nachschau und mit etwas Abstand tut es uns nicht leid, dieses Vorhaben verwirklicht zu haben. Mit dem Aufhänger, den Tieflandfelsenhahn zu finden. Es war ein wirklich spannendes Abenteuer. 

Der Autor

Stephan Martens

Die Natur ist meine Leidenschaft. Und mein Traumberuf seit über 20 Jahren Reiseleiter: Genauer gesagt bin ich Naturreiseleiter und leite auch Ornithologische Touren. Ökologische Zusammenhänge und die anthropogenen Auswirkungen finde ich spannend. Mit Gästen Naturbegeisterung teilen, das gefällt mir.

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Mit DieNaturreise in der Natur Surinames unterwegs?

Sabrina und Stephan sind regelmäßig in Suriname, um hier ihre Landeskenntnisse weiter zu verbessern und immer aktuell zu halten. Fragen Sie sehr gerne nach einer individuell gestalteten Tour. Fragen Sie gerne, was in diesem Ländchen möglich ist in Sachen Natur, Tourismus und ornithologischen Touren.

Danke für Ihr Interesse an unserem Reisebericht über Surianame!

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