Flora & Fauna / Spanien

Papageien in Europa

"Exotische Vögel in unserer Nachbarschaft: Bereicherung oder Plage?"
26. Oktober 2023

Europa

Spanien

Papageien in Europa

Seit vielen Jahrzehnten gibt es in Europa in einigen Ländern und Regionen inzwischen fest etablierte Papageienpopulation. Beispiele hierfür sind die Halsbandsittiche, Mönchsittiche Alexandersittiche, Gelbkopfamazonen und Rosenköpfchen in Mitteleuropa und Westeuropa. 

Halsbandsittiche sind wohl die häufigste Papageienart in Europa und kommen vor allem in Großbritannien, Niederlande, Frankreich, Belgien, Deutschland und Spanien vor. Sie stammen ursprünglich aus Asien, besonders Indien. Aber auch in Afrika gibt es Populationen. Alexandersittiche sind in weitaus geringeren Stückzahlen vorhanden. Besiedeln aber ähnliche wintermilde, städtische Regionen wie die Halsbandsittiche.  Auch sie stammen aus Indien.

Uta RUta R
Alexandersittich 

Aus dem Süden Südamerikas stammt der Mönchsittich und er ist heute in Europa in Großbritannien, Niederlande, Belgien, Frankreich, Deutschland, Portugal, Spanien, Italien und Griechenland anzutreffen.  Zum Teil in ebenso großen Stückzahlen wie die Halsbandsittiche.

Gelbkopfamazonen sind ebenfalls vom Ursprung Latinos. Ihre Verbreitung in Europa beschränkt sich im Wesentlichen auf eine kleine Population in dem im Raum Stuttgart.

Lupenreine Afrikaner sind die Rosenköpfchen, welche zu den Agaporniden (Liebesvögel oder Unzertrennliche) gehören. Ihr neues Verbreitungsgebiet ist aber nun auch der Süden Portugals. Über die ihre Populationsstärke an der Algarve ist mir noch nichts bekannt. Es handelt sich jedenfalls um eine seit mindestens 30 Jahren etablierte „Community“ mit vielen Hunderten oder Tausenden Tieren.

Wie die Gelbkopfamazonen, neigen auch die Rosenköpfchen zur Hybridisierung. In der Stuttgarter Population Gelbkopfamazonen steckt somit auch Blut der Blaustirnamazone.

Bianca HahnBianca Hahn
Gelbkopfamazonen 
In Portugal haben sich wohl in die zahlenmäßig größte Gruppe an Rosenköpfchen, Schwarzköpfchen und Rußköpfchen eingemischt. Ob die Hybride dann wiederum fruchtbar sind, ist meines Wissens nicht bewiesen oder widerlegt. Da die Agaporniden, wie auch Amazonen, bei Käfig-Vogelfreunden sehr beliebt sind, gibt es dort bestimmt Erfahrungswerte.

Auf meinen eigenen Ornithologischen Reisen und Naturreisen in Europa und habe ich oft die Möglichkeiten zur Beobachtung verschiedener freilebender Papageienpopulationen. Außerdem habe ich oft die Gelegenheit, dieselben Arten in ihren angestammten Heimatregionen zu begleiten.  Nämlich eben auf unseren Ornithologischen Reisen in Lateinamerika.

Wenn ich nun die Papageienpopulationen in ihrem Heimatland und dann in Europa betrachte, die Entwicklung ihrer Zahlenstärke verfolge, die Entwicklung ihrer neuen Umwelt und die Reaktion der Menschen beziehungsweise Öffentlichkeit in Europa auf diese Papageien, dann ergeben sich mir folgende Fragen:

Bianca HahnBianca Hahn
Gelbkopfamazone 

1. Wie können sich fremde Organismen in einem neuen Ökosystem so gut und schnell etablieren? 

2. Warum explodieren einige Bestände regelrecht und warum schrumpfen andere Bestände wiederum?

3. Sind die Neubürger eine Bedrohung für angestammte Organismen und ist die Angst davor begründet? 

4. Machen Regulierungsversuche Sinn?

Meine Überlegungen dazu sind nicht wissenschaftlich. Ich bin Naturfreund, Hobbyökologe oder was weiß ich noch. In unseren Gruppen und während unserer Natur-Reisen haben wir immer das Vergnügen, das Privileg, mit guten Fachleuten aller Couleur über diese Themen diskutieren zu können. So traue ich mich, folgende Antworten zu den o a Fragen in den Raum zu stellen. 

Uta RUta R
Halsbandsittich 

Zu 1: Die Initialzündung ist zumeist anthropogener Natur. Menschen bringen Tiere aus anderen Erdteilen oder Länder in ihre Heimat. Weil sie sie in der Ferne „toll“ fanden und sie Zuhause auch gerne um sich haben. Oder weil sie sie in Käfigen gehalten, vermehrt und gepflegt haben und die Vögel dann freiwillig oder unfreiwillig in die Umwelt gelangt sind. 

Wenn es sich um ausgeprägte Generalisten bei den Vögeln handelt und der Druck von für die Ausbreitung nachteiligen Faktoren, wie Feinde, Nahrungsmangel oder ungeeignetes Klima nicht zu groß ist, steht einer Vermehrung in der neuen Umgebung wenig im Wege. 

Es scheint auch, gerade bei freigesetzten oder entwichenen Käfigvögeln auch eine Rolle zu spielen, in wie weit sie schon züchterisch bearbeitet wurden oder sie sich an den Menschen als Futtergeber / Ersatzpartner gewöhnt haben. Wellensittiche, die schon seit vielen Jahrzehnten oder gar länger züchterisch bearbeitet wurden, scheinen es in Europa nicht zu schaffen, Populationen zu bilden. Obwohl sie sicher zu den am häufigsten freigesetzten Papageien gehören. Züchterisch nicht bearbeitet und auch eher als Volierenvögel bekannt, sind ja Mönchssittich, Rosenköpfchen und Halsbandsittich. Sie zeigen auch unter den Papageien Europas die stärksten Zuwächse in Bestandstärke. Ist das Zufall oder schon Zeichen einer Schädigung unseres Ökosystems in Europa? Würde eine Besiedlung auch in einem naturreinen Lebensraum gleichermaßen und auch so rasant erfolgen? Die beiden Sitticharten in Mitteleuropa und auch in Spanien, Mönchs- und Halsbandsittich, starteten in urbanen Räumen. Somit eher gestörten oder noch nicht lange genug entwickelten Ökosystemen. Allmählich kommen die beiden Arten aber auch in städtischen Randzonen, Kulturland und freier Landschaft vor. Nicht jedoch in Wäldern oder anderen noch scheinbar weniger menschlich beeinflussten Lebensräumen.

Uta RUta R
Bruthöhle des Halsbandsittichs 

Sie stoßen somit in einen Hohlraum hinein, in eine sog. ökologische Nische. Passt sie sehr gut, dann kommt es zu einer explosionsartigen Vermehrung. Auch zu beobachten in einem Gartenteich, welcher frisch angelegt worden ist und mit Stichlingen besetzt wurde. Diese breiten sich rasant aus, bis durch besser angepasste, für diesen Lebensraum besser geeignete Organismen der Druck so groß wird, dass die Stichlinge von ihrer Anzahl auf ein Normalmaß zurückgehen und einige Zeit später sogar ganz aussterben. 

Als weitgehende Generalisten kommen die beiden Sitticharten offensichtlich gut in Europa zurecht, etablieren sich gerade. Ob dann in einiger Zeit der „Stichlingseffekt“ eintritt, werden wir beobachten. 

Zu 2: Im Falle der Gelbkopfamazonen erleben wir gerade, nach anfänglicher und vor wenigen Jahrzehnten guter Vermehrung der Bestände, einen Populationsrückgang um die Hälfte. Innerhalb eines Jahrzehntes. Sind es veränderte Umweltbedingungen oder haben sich heimische Organismen, z B der Vogeljäger Habicht, schon auf die Amazonen als Beute eingestellt? Zum Teil sprechen Argumente, wie gesteigerter Ordnungssinn der Gartenbetreiber oder der kommunalen Grünämter dafür, dass weniger Nahrung bleibt. Jedoch kann ich persönlich nicht verstehen, dass eine geringfügig andere Handhabe nun eine Trendumkehr im Bestand der Gelbköpfe erzeugen soll. 

Zuweilen wird auch der Klimawandel als Grund angeführt. Er ist ja Zurzeit für einfach alles die Erklärung und Schuldige. Aber in Städten ist es schon lange und ohnehin rund drei Grad wärmer, als in der freien Landschaft. Sicher sind alle Papageienarten Südländer und somit werden wintermilde Gegenden bevorzugt, aber einen direkten Zusammenhang mit der Klimaerwärmung vermag ich nicht zu erkennen.

Bianca HahnBianca Hahn
Mönchsittich 

Zu 3: Mir sind kaum Meldungen der in Europa sehr zahlreich vertretenen Vogelbeobachter bekannt, die einen nachweislichen Bestandsrückgang der Tierarten zeigen, die im selben Lebensraum wie die schon recht boshaft betitelten Invasoren wohnen. Es scheint so, als wenn im Biotop Stadt und Kulturland noch viel Luft und Raum ist, für die Ausbreitung geeigneter Organismen. Wenn es nun heimische Vogelarten nicht schaffen, durch Bestandserhöhungen in dieses Vakuum hineinzustoßen, dann erledigen es eben die Sittiche und Co. Dass es sich um ein Vakuum handelt und es dieses gibt, möchte ich so begründen:

Das Angebot an Futter scheint in urbanen Räumen im öffentlichen Grün und Gärten sowie Kulturland sehr gut zu sein. Halsbandsittiche z B fressen Früchte, Blüten, Knospen, junge Blätter und auch Körner, also Samen. Amsel, Sperling, Buchfink bis Taube schaffen es bei weitem nicht, das Futterangebot voll auszuschöpfen. Offensichtlich fallen Obst, Samen und Früchte in großen Mengen auf den Boden und werden nicht genutzt. Im Sinne der Vermehrung der Gehölze oder anderer Pflanzen nicht schlecht, sie sollen sich vermehren. Ich denke, dass die letzten Jahrzehnte viel mehr standortgerechte und heimische Pflanzen im städtischen Raum angepflanzt wurden und auch in vielen Privatgärten ein Umdenken stattgefunden hat. Felsenbirne, Baumhasel und Weißdorn statt Forsythie, Magnolie und Goldregen. Ligusterhecke, Hainbuchenhecke statt Scheinzypresse oder Thuja. Diese Pflanzen sind jetzt, seit der Trendumkehr in den Gärten, schon einige Jahrzehnte alt und somit wertvolle Nahrungslieferanten.

Zu 4: Fast sämtliche Regulierungsversuche sind bisher gescheitert. Es hat z B Ausrottungsversuche des Mönchssittichs in Spanien gegeben. Weil sie sich dort als „Erntehelfer“ unbeliebt gemacht haben. Stare hingegen „dürfen“ das! In den Regionen der intensiven Bekämpfung von vor wenigen Jahren sind sie aber wieder eingewandert und heute wieder zahlreich vertreten. Regulierungsversuche bei anderen Vögeln (Nilgänse), Säugern (Nutria, Bisam) oder gar bei Pflanzen (Riesenspringkraut, Staudenknöterich oder Riesenbärenklau) waren bisher fruchtlos.

Stephan MartensStephan Martens
Agaporniden-Hybride 
Vielfach werden Verluste durch Reduzierungsversuche durch höhere Vermehrungsraten schnell wieder ausgeglichen (Fuchs).

Die Gefahr einer Beeinträchtigung von heimischen Arten bei Bekämpfungen, welcher Art auch immer, ist darüber hinaus zu groß. Es ist meine Meinung, doch den Neubürgern freien Lauf zu lassen in einer Umwelt, die ohnehin stark durch menschliche Einflüssen beeinträchtigt und verarmt ist. Freuen wir uns einfach an Lebewesen, die es schaffen, sich in einer immer enger werdenden Welt durchzusetzen.

Der Autor

Stephan Martens

Die Natur ist meine Leidenschaft. Und mein Traumberuf seit rund 20 Jahren Reiseleiter: Genauer gesagt bin ich Naturreiseleiter und leite auch Ornithologische Touren. Ökologische Zusammenhänge und die anthropogenen Auswirkungen finde ich spannend. Mit Gästen Naturbegeisterung teilen, das gefällt mir.

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Seit Jahrzehnten beobachte ich aufmerksam die Entwicklung der Papageien in Europa. Als Reiseleiter ornithologischer Touren und Rundreisen habe ich das Vergnügen, sie sehr oft im Jahr in ihren neuen Lebensräumen zu sehen. Dann auch in ihren alten Lebensräumen. Dazu habe ich gerne meine Ideen und Schlüsse in diesem kurzen Artikel festgehalten. 

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