Das Pantanal ist ein Sehnsuchtsziel vieler Natur- und Papageienfreunde. Hier sind der legendäre Hyazinthara (Anodorhynchus hyacinthinus) und die so hochinteressanten Blaustirnamazonen (Amazona aestiva) Zuhause. Ja auch einige andere sehr attraktive Krummschnäbel, altertümliche und skurrile Säuger wie Großer Ameisenbär oder Wasserschwein. Oder auch zehntausende (!) von Schwarzen Kaimanen. Und nicht zuletzt die schönste Großkatze der Welt, der Jaguar.
Eine der noch „wahren Wildnisse“ der Erde. Zum großen Teil noch wenig anthropogen beeinflusst und von wildem ursprünglichen Charakter.
Reisen in dieses riesige Gebiet im Herzen Südamerikas sind nicht ganz einfach. Aber dennoch, für erfahrenere Reisende mit etwas Sprachkenntnissen, gut machbar. Besser organisiert oder in Gruppe, denn als Einzelkämpfer.
Wir waren dort: rund drei Wochen
Wir, das sind Bianca Hahn, Fotografin und Pagageienspezialistin und ich, vom Beruf her Natur-Reiseleiter und Naturreise-Veranstalter. Bianca`s Mission waren die Amazonen und die Hyazintharas. Die Meine, die Region, den Lebensraum, die Landschaft und die Tiere allgemein einzuatmen. Zu erforschen? Ja, das wäre es gewesen, mich vor 100 Jahren einer Expedition angeschlossen zu haben. .... Aber genug von der Schwärmerei....kommen wir zur Sache:
Ich starte mit den beiden Stars der Region: Hyazintharas und Blaustirnamazonen. Zu dem Thema: „Wie komme ich dahin“, ..... das folgt dann im weiteren Verlauf.
Blaue Schönheiten im größten Feuchtgebiet der Erde:
Im Gebiet mussten wir nicht lange suchen. Im Pantanal gewinnt man schnell den Eindruck, es handele sich nicht um eine bedrohte Art, sondern um einen Allerweltsvogel. In vielen gut „aufbereiteten“ Gegenden, nämlich spezialisierten Lodges mit privaten Schutzgebieten sind sie häufig anzutreffen und zeigen kaum Scheu. Ohne weiteres konnten wir uns bis auf wenige Meter nähern, um in Ruhe zu beobachten. Bianca mit der Kamera im Anschlag, ich mit dem Fernglas. Der Hyazinthara, oder zuweilen auch nicht ganz korrekt als Blauara bezeichnet, ist mit rund 1 Meter und bis 1,7 Kilo der größte Papagei. Die Federn sind sehr einheitlich dunkelblau, die Haut um die Augen und Schnabel knallgelb. Wie „gemalt“ also!
Vier Zehen, ganz typisch Papagei und wie alle ihrer Familie nutzen sie ihren starken Schnabel zu Klettern.
Ihre Heimat ist außer das Pantanal noch andere Gebiete in Brasilien und auch Paraguay. Im Normalfall der Tropische Regenwald, aber eben auch Sumpfgebiete oder Tropischer Trockenwald. Zumeist sind sie dort gesellig, das heißt in kleinen Familienverbänden zu sehen. Oft mehrere Paare mit ihren Jungtieren.
Sie essen Samen. Entsprechend ihrem riesigen Schnabel große Samen. Und dann auch hartschalige Früchte. Und der Schnabel ist beeindruckend, ja fast zum Fürchten. Zumeist findet er, wenn er bevorzugt morgens und abends auf Suche ist, seine „Snacks“ in den Bäumen. Seltener sucht er dafür den Boden auf und pickt heruntergefallenes Obst oder Nüsse.
Eine sehr interessante Verhaltensweise konnten wir im Gelände beobachten: Nicht so leicht zu knackende Palmnüsse wurden sorgfältig in ein Blatt eingewickelt, um dann offensichtlich beim Prozess des Sprengens mehr Gripp zu haben. Und es gelingt den Hyazintharas auch nicht, alle Palmfrüchte zu knacken. Unter den Fressbäumen lagen große Mengen an ungeöffneten Früchten, zum Teil mit Spuren von Öffnungsversuchen.
Wegen der Brutsaison, die ja genau zwischen Juli und September liegt, waren Bianca und ich im August gereist. In dieser Zeit findet man die Hyazintharas auch eher Paarweise. Verpaart sind sie denn auch zumeist ein Leben lang und Baumhöhlen ihre Lieblingsbrutorte. Ohne große Probleme werden aber auch künstliche Nisthilfen, welche die Lodgebesitzer gerne in guter Beobachtungsposition anbringen, angenommen.
Aus nächster Nähe konnten wir ganz in Ruhe ein wohl jüngeres Paar beobachten, wie sie einen künstlichen Nistkasten in unmittelbarer Hausnähe inspizierten.
2 bis 3 Eier sind die Norm und das Mädel kümmert sich, während er Futter sucht. Nach ca. 28 Tagen erfolgt der Schlupf. Bitte verzeihen sie mir, wenn ich als „nur“ Naturfreund die Ara-babys als „semihübsch“ empfinde.
Meist überlebt nur ein Jungtier die ca. 110 Tage Aufzuchtzeit. Und geschlechtsreif sind sie dann erst mit einigen Jahren. Die Beliebtheit als Ziervogel hat die natürlichen Bestände deutlich dezimiert. In wie weit dafür, also für die Dezimierung, auch Lebensraumverlust oder/und Umweltveränderungen verantwortlich sind, kann noch niemand schlüssig beantworten. Ohne Frage sind diese Papageien hochspezialisiert und brauchen lange, um sich zu reproduzieren. Diese beiden Eigenschaften sind leider oft der Grund, um anfällig für Störungen, also Umweltveränderungen zu sein. Dazu kommt wohl auch ein, vor der massiven Einflussnahme der weißen Menschen auf den Südamerikanischen Kontinent, nicht allzu weites Verbreitungsgebiet und nicht allzu große Bestandszahlen. Aber das ist eben meine Spekulation.
Wilde Amazonen mit blauer Stirn
Die Blaustirnamazonen waren die zweite Zielart unserer „Expedition“.
Es gibt nichts Schöneres für Naturfreunde, diese Tiere in ihrem Lebensraum unbeschwert und mit ihrer ganzen Lebenslust zu beobachten. Wenn sie in Gruppen fliegen, sich dabei foppen, gaukelnd landen, kletternd auf die Suche nach Leckereien gehen und sich im Abendrot in der Pampa die Stories des Tages einander erzählen.
Und, by the way, dies zu erleben geht ja auch in Stuttgart: Bianca beobachtet und dokumentiert dort die wildlebende Population der Gelkopfamazonen (Amazona oratrix-).
Blaustirnamazonen sind rd. 35 cm klein und wiegen im Schnitt ein Pfund. Sie fühlen sich in Bolivien, Brasilien, Paraguay und Argentinien Zuhause. Ein Gebiet mit einer Ausdehnung von 3000 Kilometer, meist bewaldetes Flachland und maximal bis 1500 Meter Höhe. Sie kommen aber auch im Kulturland und savannenartigen Gebieten vor, solange es nur genügend alte, oft abgestorbenen Bäume mit Höhlen gibt. Meist Bäume mit glatter Rinde, aber erstaunlicherweise auch in Termitenbauten! Dabei gehen wir davon aus, dass die Amazonen die Höhlen nicht selbst herstellen oder verbessern. Sie lassen die Vorarbeiten in der Regel von Spechten „erledigen“.
Und wir waren gerade zur Brutzeit (Inkubationszeit ca 25 Tage) dort: Entdeckten auf wenigen Hektar Fläche vier Brutpaare mit unterschiedlichem Brutstatus. Von Paarungsgeschehen, Eier bebrüten, Jungen hudern. Auch Paare, wo beide Tiere bei der Futtersuche waren und nur zur Fütterung in die Höhle verschwanden.
Die Reviere wurden offenbar verteidigt, denn als wir Eindringlinge erspähten, wurden sie vom Standortpaar zusammen vertrieben. Leichte Kämpfe, wie schon mal bei den Stuttgarter Amazonen zu beobachten, in der Luft oder gar am Boden, konnten wir nur selten feststellen. Zum „Schlafengehen“ hielten sie es aber wiederum wie die wilden Amazonen in Stuttgart: Kurz vor Sonnenuntergang fanden sich allabendlich rund 8 Paare in einem Schlafbaum ein.
Ihr Menue in der Natur ist recht variantenreich: In den Baumkronen finden sie Früchte unterschiedlicher Reifegrade und gehen auch mitunter in die Plantagen, Orangen oder andere Fruchtbäume. Aus diesem Grunde gehören nicht alle Bauern zu ihren uneingeschränkten Fans, gerade wenn sie in Schwärmen von bis zu mehreren Hundert Individuen einfallen.
Auswilderungen kritisch gesehen
Wie uns auch aus meinem zweiten Heimatland Costa Rica zu genüge bekannt, gibt es im Pantanal auch Auswilderungsprojekte für Papageien. Wir schauten uns ein Positivbeispiel an und fanden leider auch ein sehr schlechtes Projekt. Auf Nachfrage teilte man uns dort mit, dass die brasilianische Behörden die beschlagnahmten Tiere liefern. Aber auch Zoos ihre „Überschüsse“ abgeben. Die Volieren zur Auswilderung waren viel zu klein und nach unserem Ermessen ungeeignet.
Zum Teil sahen wir nur sehr kleine Käfige. Weiter erfuhren wir, dass hier Arten oder Unterarten ausgewildert werden, die in diesem Gebiet nicht vorkommen. Bestätigung erhielten wir, als wir Gelbbrustaras (Ara ararauna), fast handzahme Exemplare hier im nördlichen Pantanal antrafen. Oder auch eine Natterer-Amazone (A. ochrocephala nattereri). Sie gehört zur Gruppe der Gelbscheitelamazonen (A. ochrocephala) und ist ebenfalls für diese Region untypisch. Kritisch fanden wir auch, dass kranke oder verkrüppelte Tiere hier ausgewildert wurden: Wir beobachteten einen Gelbbrustara mit deformierten Krallen und erhielten die Auskunft, dass dieses Exemplar vor rund einem Jahr mit weiteren Tieren hier ausgewildert wurde. Es hält sich seither nur in der Nähe der Lodge auf und bettelt um Futter. Weiter sichteten wir Exemplare von Blaustirnamazonen mit verkümmerten Krallen: Gerade bei amerikanischen Haltern ist es Gang und Gäbe, die Krallen zu entfernen, damit das Sitzen auf dem Arm beim Menschen angenehmer ist.
Eine weitere Rückfrage von uns an die Betreiber dieser Auswilderungsanlage war, ob denn die freigelassenen Gelbbrustaras oder Blaustirnamazonen noch hier im Gebiet verweilen oder brüten. Die (wenigen überlebenden) Aras neigen zumindest noch nach einem Jahr dazu, die Station dann und wann aufzusuchen und werden dann gefüttert. Von ihnen sind keine Brutversuche bekannt. Von den Blaustirnamazonen ebenfalls nicht.
Weitere Krummschnäbler und Vögel des Pantanals
Blaustirnamazonen und Hyazintharas sind alleine diese Reise nach Brasilien wert. Aber wo wir schon mal dort waren, wollten wir auch mehr: Und so gingen wir an vielen Tagen eher in bestimmten Lebensräumen als denn wegen bestimmter Arten auf die Pirsch und nahmen das dankbar an, was uns vor die Linse kam. Zu Pferd, zu Fuß zumeist, mit dem Safari-4x4, aber auch mit dem Kanu oder Motorboot gelangen uns zumeist frühmorgens und spätnachmittags, aber auch des Nachts spektakuläre Sichtungen und Bilder.
Ganz in Ruhe beobachten wir Gelbrustaras (Südpantanal) und Dunkelroter Ara (Ara chloroptera) (im Nationalpark Chapada).
Weiter und in großen Gruppen die geselligen Rotbaucharas (Orthopsittaca manilata) (bei Nobres), Nandaysittiche (Nandayus nenday) und Mönchsittiche (Myiopsitta monachus).
Mein persönliches Interesse galt aber auch den nicht überall so einfach wie hier zu beobachtenden Scherenschnäbeln, Rotfußseriemas und den Jabirus, den größten Störchen Amerikas. Die Letzteren sind dort sogar in unbeschreiblich großen Mengen, zusammen mit Reihern aller Art zu sehen. Dazwischen bunte Rallenvögel und nimmersatte Kormorane. In den dichteren Waldgebieten wird ja erfahrungsgemäß die Schlagzahl der Sichtung neuer Arten geringer. Der „echte“ Orni ist dann aber auch unermüdlich und bei 35 Grad in der Mittagszeit im Busch auf der Pirsch nach Spechten, Tyrannen oder Tangaren.
Safari in der Nacht und am Tage: Ameisenbär und Jaguar
Der Größte Sumpf der Erde ist Safarigebiet, wie viele Reisende das aus Afrika kennen. Mit offenen Jeeps nutzen Bianca und ich die „etwas andere Perspektive“ und das geringere Fluchtverhalten von manchen gefiederten und behaarten Gesellen bei Fahrzeugen, um auch Großen Ameisenbär und Wasserschwein zu beobachten. Gerade die Wasserscheine, auch Capibaras genannt, sind Personen gegenüber scheuer, als wenn man sich aus einem Fahrzeug oder auf dem Rücken von Pferd oder Maultier nähert. Vom Rücken der Tragetiere aus ist es allerdings sehr gewöhnungsbedürftig und schwierig, gute Bilder zu schießen oder mit dem Fernglas zu arbeiten. Für die Fotografie oder Beobachtung der Unmengen der Schwarzen Kaimane hingegen bedarf es keiner besonderen Umstände. Sie liegen, gerade in der trockeneren Zeit, zu Tausenden in den kleiner werdenden Teichen, Kanälen und Seen. Ohne Probleme kann man sich bis auf wenige Meter nähern.
Heimlicher gibt sich da schon die wohl schönste Katze der Erde, der Jaguar. Eine Lodge, ganz im Süden der berühmten Transpantaniera, bietet Bootstouren zur Beobachtung an. Mit sehr hoher Trefferquote.
Transpantaneira? Das ist eine Stichstraße, Schotterstraße von 130 Kilometer bis inmitten des Sumpfgebietes. Mit rund 120 Brücken, welche gerade im letzten Teil recht abenteuerlich sind. Diese Straße ist wenig befahren und so konnten wir anhalten wo wir es wollten, aussteigen, eine kurze Fotosafari und dann weiterreisen.
So kommt man dorthin: Reisepraxis im Pantanal und Brasilien
Wir wissen alle nicht was der Corona Fall nun noch an Nebenwirkungen bringt. Und hoffen, dass nicht zu viele Länder schwerer bereisbar werden.
Die Praxis bisher hat gezeigt, dass man bevorzugt organisiert reisen sollte. Mit guter Lateinamerikaerfahrung und Sprachkenntnissen (Portugiesisch oder zumindest Englisch und Spanisch) sind auch Mietwagentouren gut möglich. Wir hatten uns dazu entschieden und waren daher maximal frei in der Entscheidung, welche Regionen und Lodges sowie Schutzgebiete wir ansteuern wollten. Hotels sollte man aber vorreservieren, also im Falle einer Reise ohne Reiseleitung und eben mit Mietwagen.
Die notwendige Fluganreise in den Südosten Brasiliens kann über diverse Flughäfen in Mitteleuropa erfolgen. Hier werden aber gerade alle Karten neu gemischt.
In Brasilien angekommen, zumeist über die Flughäfen an der Küste wie Sao Paulo, Rio de Janeiro oder Salvador de Bahia hat man noch einen rund zweistündigen Inlandsflug vor der Brust. Und zwar nach Cuiaba. Von dort darf es dann per Bus und organisiert oder auch per Mietwagen weitergehen.
Die Reise ins Pantanal wird dann auch gerne wegen der doch starken Kontraste der Lebensräume mit den Gebieten um Nobres (mit den glasklaren Schnorchelflüssen) und dem Nationalpark Chapada dos Guimaraes (mit Trockenwald und Tafelbergen) kombiniert. Ebenso lohnt, gerade für Naturfreunde, ein Stopp der Reise in Salvador de Bahia, um hier in die bedrohten Atlantischen Regenwälder „einzutauchen“ oder in die blauen Fluten des Atlantiks zum Beispiel an den Traumstränden von Praia do Forte.
Fotos: Bianca Hahn, Fotografin und Expertin der Stuttgarter Amazonen, www.stuttgarter-amazonen.de
Text: Stephan Martens, Natur-Reiseleiter und Veranstalter, www.dienaturreise.de