Spanien ist eine ökologische Katastrophe, sagen manche Menschen. Und haben damit gar nicht so ganz Unrecht. Allerdings liegt das rund 2000 Jahre zurück. Bis dahin war Iberien, also Portugal und Spanien, fast vollständig bewaldet. Dann wurde gerodet was das Zeug hält, der Holzhunger war groß.
Den Rodungen folgten Nutzungen wie Beweidung. Das veränderte die Landschaft drastisch. Viele Tiere und Pflanzen verschwanden, andere siedelten sich an.
Heute ist Spanien, ja ganz Iberien, ein buntes Mosaik aus Naturwaldbeständen, insbesondere in den Gebirgen, aus jahrhundertealten Kulturwäldern, aus Steppen- und Halbwüstenlandschaften und Wildflusssystemen nebst Sumpf- und Feuchtgebieten.
Das Ökosystem heute
Spanien ist somit jetzt und in der Gegenwart ein durchaus intaktes, funktionierendes Ökosystem. Das Land ist, für europäische Verhältnisse, dünn besiedelt und wird größtenteils mäßig, zum Teil extensiv genutzt. Wer natürlich kritisch schaut, wird regional auch die Auswirkungen der intensiveren Nutzung und somit negative Auswirkungen finden. Resultat steigenden Wohlstandswunsches und oft Aktionismus der EU.
Insgesamt ist das Land aber auf dem richtigen Weg. Der Wert der Natur ist erkannt und Schutzbemühungen greifen. Es ist zu hoffen, dass das Bestreben nach immer mehr Effektivität und Ertrag nicht das mitteleuropäische Niveau erreicht und somit Kranich, Marmormolch und Adler diese Landschaft weiterhin bewohnen können.
Die verschiedenen Lebensräume
Spanien beherbergt ein einzigartiges Naturerbe mit vielen Endemiten. Tiere und Pflanzen, die nur hier vorkommen. Das liegt zum Teil an den Pyrenäen, welche diesen Teil Europas vom Rest abschirmen. Aber auch an den Eiszeiten, die hier nicht so intensiv oder ausrottend gewirkt haben. Rund 8000 Pflanzenarten zählt Spanien; das kann sich sehen lassen. Die Mischung des atlantischen mit dem mediterranen Klima haben viele Vegetationsgesellschaften mit jeweils einer sehr eigenen Tierwelt bilden lassen. Ursprüngliche Vegetationsformen sind nur noch in Relikten vorhanden und wurden größtenteils, wie oben angedeutet, vom Menschen überformt.
Mit rund 40.000 qkm stellen die Dehesas, die Kork- und Steineichenwälder im Südwesten des Landes, das größte Ökosystem dar. Sie sind mit ihrem lichten Unterwuchs Winterquartier von fast allen Mittel- und Nordeuropäischen Kranichen und vielen anderen Zugvögeln. Aber darüber hinaus auch die Heimat besonderer Arten wie Wiedehopf, Einfarbstar, Blauelster, Schmutzgeier oder Mittelmeer-Raubwürger. Die Liste ornithologischer „Leckerbissen“ könnte noch über eine ganze Seite weitergeführt werden. Das Gleiche gilt für Säuger: Fischotter, Ginsterkatze, Iberischer Wolf und Braunbär sollen nur als Beispiele genannt sein.
Eine weitere Vegetationsform oder Lebensraum stellt die Macchie dar. Sie ist das Übergangsstadium zum Hartlaubwald. Würde man der Natur hier weiter freien Lauf lassen, dann dürfte sich nach langen Jahren das Bild eben wieder ändern. Charakterpflanzen sind hier Stein- und Kermeseiche, Wilder Ölbaum, Erdbeerbaum und Terpentinpistazie. Farbtupfer bringen Zistrosenarten, Ginsterarten und Lavendel, Thymian, Rosmarin und Co.
Im Süden, im Ebrobecken, und entlang des Mittelmeeres herrscht dieser Lebensraum vor.
Verschiedene flache Flussmündungsgebiete, Schwemmländer, Sumpfgebiete unterbrechen diese Macchie an diversen Orten. Ebrodelta und Doñana sind hierfür Beispiele. Das Erstere ist schon intensiv menschlich genutzt. Mit Reisanbau und Salzgewinnung. Aber eben doch für viele Vögel wie Kuhreiher und Flamingo ein Paradies.
Zweiteres ist ein gut geschützter Nationalpark ganz im Süden bei Sevilla und noch im weitgehendem „Originalzustand“, sieht man von der leider zu intensiven Jagd mal ab.
Offene Graslandschaften im Zentrum Iberiens stellen für Mitteleuropäer ungewohnte Landschaftsformen dar. Ihre Bewohner, wie Spießflughuhn oder Großtrappe, muten schon fast exotisch an.
Diese Ökosysteme im Herzen des Landes werden noch von verschiedenen (Hoch-) Gebirgszügen unterbrochen. Oft weisen sie gute Waldbestände auf, wegen der hier etwas höheren Niederschlagswerte. Meereshöhentechnisch teilt sich das Gras- und das lockere Buschland auch noch in zwei Hälften auf und bietet eine weitere Erklärung für die hohe Biodiversität. Der Norden ist rund 1000 Meter hoch und dadurch kommt es zu einem kontinentalen Klima mit kalten Wintern und heißen Sommern.
Der Süden ist nur rund 200 bis 500 Meter über dem Meer und somit wintermilder und noch sommerheißer.
Der Norden Spaniens, und somit die Atlantikküste ist grün, mild und feucht. Er wird ganz richtig als „España Verde“ bezeichnet.
Die Provinzen Asturien, Galizien, Kantabrien und Teile des Baskenlandes haben eine ganz eigene Vegetation entwickelt. Hier herrschen Stiel- und Traubeneichen, Rotbuchen, Weißbirke neben den Neubürgern Eukalyptus und Stechginster vor. In dünn besiedelten Gebirgen leben in zum Teil guten Beständen Adlerarten, Wolf und Bär.
Ein weiterer Lebensraum, der vielleicht nicht mit einer Vegetationszone über einen Kamm geschoren werden kann, ist die Stadt. Oder eben Dorf, Burg oder Ruine.
Häufig unterschätzt, aber sehr wertvoll für bestimmte Arten. Nicht nur der Weißstorch besiedelt Kirchtürme, sondern auch Trauersteinschmätzer lieben Ruinen und Rötelfalken ziehen gar ihre Jungen in Kolonien unter dem Dach von Stierkampfarenen auf. So hält in Spanien ebenfalls der neue Trendsport der Ornis Einzug:
Das „Urban-Birding“.
Die beste Reisezeit für Naturfreunde
„Was ist die beste Reisezeit, um die Natur in Spanien zu erleben?“ Das fragen mich als Naturreiseleiter oft die Gäste. Wie die verschiedenen Landschafts- und Vegetationstypen erahnen lassen, gibt es starke Unterschiede.
Die Pyrenäen und der Norden mit seinen Gebirgen und wunderschönen Fels- und Sandküsten sind Reiseziele für das Sommerhalbjahr. In den Monaten April und Oktober ist es sicher schon mal, noch oder schon, in den Hochlagen ganz frisch. Und, weil Spanier hier gerne auch ihren Sommerurlaub verbringen, in den Schulferien recht voll.
Das Zentralland mit seinen Dehesas und Steppen- Kulturländern, somit die Provinzen Kastilien-Leon, Kastilien-La Mancha, Extremadura und Navarra würde ich und als Naturfreund im Frühling bereisen. Und der beginnt im Süden der Extremadura oft schon im Februar. Aber dann ab Juni wird es richtig heiß und trocken und auch das Leben wird ruhiger, wer kann zieht fort oder hält eine Sommer-Trockenruhe.
Die Mittelmeerküste und südliche Atlantikküste zwischen Portugals Algarve und Gibraltar ist, in Abstufung natürlich, von Nord nach Süd sogar im Winter ein gutes Naturreiseziel. Hier sind viele Überwinterer, wie Blaukehlchen und viele Limikolenarten oder Möwen zu beobachten.
Gerade die Flussmündungen haben sich als Birdinghotspots herumgesprochen. Aber auch die Monate November, sowie März bis Mai haben in dieser Region viel zu bieten. Es hat dann die nötige Feuchtigkeit, die Temperatur für viel Aktivität.
Um das Ganze einmal umzukehren: Richtig unattraktiv sind, mit wenigen Ausnahmegebieten, die Monate September und Oktober.
Fans der Vogelzugbeobachtung in den Pyrenäen oder an der Straße von Gibraltar mögen mir verzeihen.
Wie organisiert man eine Naturreise Spanien?
Spaniens spannende Natur kann sich der Naturfreund ganz ideal durch eine Autorundreise erschließen. Eine zwei- oder dreiwöchige Tour mit jeweils mindestens zwei, besser drei Nächten in einer Region ist passend, um zum Beispiel Pyrenäen und das Kantabrische Gebirge mit seinen atlantischen Küsten davor zu entdecken.
Vielleicht nicht bis in den letzten galizischen Winkel, aber um einen guten Querschnitt zu sehen. Eine reine Birdwatchingtour in die Extremadura sollte minimal eine Woche, besser 10 Tage dauern. Zwei Stationen reichen, um dann sternförmig Ausflüge zu unternehmen.
Für eine Reise entlang des Mittelmeers bis zur Grenze nach Portugal sollte man mit Ausflügen in die küstennahen Regionen ebenfalls mit drei Wochen planen.
Es gibt überall Hotels, gut bezahlbar, unkompliziert. Spanische Eigenarten, Essenszeiten etc. sind im Inland und Norden stärker spürbar, als an der touristischen Mittelmeerküste. Wer über ein wenig Spanischkenntnisse verfügt, kann überall individuell und ohne „großen Plan“ reisen.
Wer sich etwas mehr auf eine gute Zusammenstellung der Reisestationen, Qualität der Hotels, machbare Tagesetappen freuen möchte und sich so besser auf sein Naturerlebnis konzentrieren möchte, der fragt einen Fachmann. Lässt sich also diese Reise zusammenstellen. Mit einem Mietwagen, Flügen und kompletten Naturprogrammvorschlägen.
Weitere und noch intensivere Möglichkeit, auf einer Reise die Natur Iberiens zu erleben, ist die Teilnahme an einer Kleingruppenreise unter diesem Motto.
Über das Jahr bieten wir für jeweils 4-7 Gäste Naturreisen mit ornithologischem Schwerpunkt an. Botaniker und Fotofreunde kommen ebenfalls zum Zuge.