Bis vor wenigen Jahren hätte ich noch sehr eindeutig auf die Frage, ob man denn in Costa Rica gut wandern könne, mit einem NEIN geantwortet.
Heute muss ich das differenziert sehen. Als Naturreiseleiter kenne ich jeden Winkel des Landes, muss aber zugeben, dass ich unter dem Aspekt „Ich gehe jetzt Strecke machen“ das Land nie betrachtet habe.
So fange ich mal mit einer Erklärung an, warum Costa Rica und viele lateinamerikanische Länder nördlich von Argentinien und Chile nicht als Wanderparadiese gegolten haben und auch gelten. Wandern ist ein Luxus, eine Erscheinung der reichen Länder. Müßiggang muss man sich leisten können. „Ticolandia“ war immer ein bescheidenes bis armes Land und wer das Geld für ein Vehikel hat, der fährt. Wer läuft ist arm oder kundschaftet einen Einbruch aus, ist gerade im Ländlichen verdächtig.
Das hat sich heute gewandelt, als Wanderer fällst du nicht mehr auf oder wirst in einsamen Dörfern misstrauisch beäugt. Costa Rica hat eine längere Erfahrung mit Touristen aus Nordamerika und Europa, somit sind Menschen in beigen Zipper-Funktionshosen, Jack Wolfskin-Sonnenhut und Trekkingsandalen kein Hingucker mehr.
Betrachten wir zu dieser Frage aber auch das Klima: Costa Rica liegt auf 8 Grad Nord in den zentralen feuchten Tropen. Das ist nicht Irland, Sauerland oder Toscana. Tropischer Regenwald, gerade im Tiefland, ist anstrengend. Warm und schwül. Da hat auch der eingefleischte Vielwanderer schnell „kein Bock mehr“. Besser geht’s im Bergregenwald oder Nebelwald, mit gemäßigteren Temperaturen. Und auch der Trockenwald, bei geringer Luftfeuchte, ist leichter verdaulich.
Daraus ergeben sich automatisch Wanderungen von kürzeren Distanzen als in Europa. Zumeist ist die Ablenkung gerade für Menschen, die nicht nur primär Strecke möchten, auch enorm. Fremd und exotisch ist die Landschaft, viele Vögel und andere Tiere, Pflanzen, landschaftliche schön Szenerien bremsen die Geschwindigkeit. Erstrecht wenn man mit Fernglas oder Kamera unterwegs ist.
Wenn in Mitteleuropa eine „Wanderung“ zumeist mit Strecken von ca. 15 km oder mehr definiert werden würde, dann ist ein „Walk“ von vielleicht 7-8 km im Tropenklima dem gleichzusetzen.
Wandern in Costa Rica: Tipps zum richtigen Verhalten
Somit gibt es im Land auch kaum extra dafür ausgewiesene Wanderwege oder gar Fernwanderwege. Markierungen oder Wegezeichen sind nicht vorhanden. Wanderkarten praktisch nicht zu kaufen, Flyer oder selbst angefertigte Skizzen oder Pläne von Wanderwegen eher die Ausnahme.
Ticos können denn auch, zur Info, keine Karten lesen. Fragt man auch, mit einer Karte in der Hand, nach dem Weg, so wird man immer sehr freundlich die Antwort erhalten: „Weiter da geradeaus, ja so eine Stunde und dann hinter der Kirche links und weiter eine halbe Stunde bis zum Fluss.“
Wandern in Costa Rica muss aber auch nicht nur bedeuten, dass ich in einem (teuren) Nationalpark Eintritt berappe um laufen zu können. Denn hier gibt es meist gute Wege. Sicher einerseits auch um den in einigen Parks und der Hauptsaison anzutreffenden Menschenmassen gerecht zu werden. Andererseits aber erschließen Wege (Senderos) in vielen Nationalparks aber auch die Landschaft für den Spaziergänger überhaupt. So sind ja im Gegensatz in unseren Breiten Wanderwege oft historisch entstanden oder genutzte Forstwege.
Es bleibt in Costa Rica aber auch die Möglichkeit, wenig befahrene Schotterstraßen gerade im ländlichen Bereich als Wanderstrecke zu nutzen. Klar, wenn an trockenen Tagen dann der Ranchero mit Pickup-4x4 und 60 km/h vorbeigejagt kommt, bringt das Staub in die Lungen. Dennoch eine oft gute Alternative. Passiert man Grundstücke an Straßen, dann sind kläffende Hunde in Costa Rica die Normalität, aber kein Grund zur Panik. Sie bewachen brav das Grundstück. Denn Hunde werden kaum an der Leine geführt, sind somit eher an einen Ort gebunden. Durchquere oder betrete ich allerdings ein Privatgrundstück, so tut man immer gut daran, den Besitzer vorher mit lauten „Hupe“- Rufen zu kontaktieren und um Erlaubnis zu bitten. Oft wird das freundlich gestattet und dabei noch der Ara im Hausmandelbaum gezeigt.
Wandern in Nationalparks und auf privatem Grund
Außer in Nationalparks gibt es zahlreiche Privatparks, in denen man ich prima bewegen und „austoben“ kann. Beispiele hierfür sind Monteverde im Nebelwald, Arenal Mistico Hanging Bridges oder Vulkan 1968. Aber auch die auf Naturreisende und Ornithologen spezialisierten Unterkünfte und Lodges wissen oft nur gut genug, dass sich Europäer gerne bewegen. Gut gepflegte Wanderwege, wenn auch nicht immer unendlich viele Kilometer, bieten zum Beispiel die Finca Canas Castilla bei La Cruz, die Finca Bavaria bei Uvita, die Tirimbina Lodge mit Privatschutzgebiet oder die Pedacito de Cielo und Maquenque Lodge in Boca Tapada. Aber auch noch viele Unterkünfte mehr „stiften“ an zu Wanderungen in der Umgebung und auf Wirtschaftswegen in der Nachbarschaft.
In Europa würde ich mich auch als Wanderer bezeichnen. Aber ich weiß nicht wie es definiert ist. In Costa Rica, wo ich mich zumeist 5 Monate im Jahr als Reiseleiter aufhalte, da würde ich die Wanderungen eher als Spaziergänge bezeichnen. Zumindest was die Strecke betrifft. Körperlich ist man dort auch auf Kurzstrecken gut gefordert. Und auch die Wegebeschaffenheit schwankt stark. Von Beton- und Schotterbefestigung in Nationalparks bis zu klettersteigähnlichen Ziegenpfaden mit Matschuntergrund.
Ausrüstung für Wanderungen in Costa Rica
Fragen sie doch immer in den Unterkünften nach ob sie die Trekkingsandalen, die Birkenstocks (vielleicht im Nationalpark Ballena erste Wahl) oder festen Wanderschuhe tragen sollten. Mit Ausnahme von vielleicht der Besteigung des Chirripo brauchen sie im Land keine Bergstiefel. Ich selbst bevorzuge auf 95% der Strecken leichte Trekkinghalbschuhe ohne Membran und mit vielen Lüftungslöchern. Nass werden ist sicher nicht schön, aber heiße Füße auch nicht mein Ding. Und eine Stunde Sonne, dann sind die Treter wieder trocken.
Wenn ich nun das Thema Ausrüstung und zum Abschluss noch komplettieren möchte, komme ich noch auf Rucksäcke zu sprechen: Ideal für Tagestouren ist ein 25-30 Liter Trekkingrucksack mit Rückengestell. Das lüftet besser. Ein Rucksack dieser Größe sollte auch für ein Paar reichen und so kann der Partner Kamera und Fernglas „schleppen“.
Hinein gehört für mich immer eine große Mülltüte für die Technik, zwei Regenjacken oder Ponchos und die Badehosen. Wasser, das versteht sich von selbst denke ich, was zu Essen ist ja Ermessenssache. Denn im Land gibt es eine Dichte von Märkten, Minimercados, Chinos, Pulperias, Sodas und Restaurants, sodass kein Besucher des Tropenparadieses zum Abnehmen kommen sollte.