Das größte Feuchtgebiet an der spanischen Mittelmeerküste ist das Ebrodelta im äußersten Süden der autonomen Region Katalonien. Kein reines Naturgebiet, sondern ein durch menschliche Einflüsse stark geprägtes rund 320 qkm großes Schwemmland an der Mündung Spaniens größten Flusses.
Der Ebro entspringt in Nordspanien und hat in den letzten Jahrtausendenden insbesondere nach den starken Entwaldungen der Iberischen Halbinsel sehr viel Erosionsmassen in das Mittelmeer geschwemmt. Somit schiebt sich hier nun eine Halbinsel rund 20 km in die See.
Heute wird der größte Teil der Halbinsel durch Reisanbau beansprucht. Ja die Region um den Hauptort Deltebre versorgt quasi ganz Spanien mit diesem Getreide. Die Aussaat findet zumeist und nachdem die Felder brach, trocken und braun über den Winter geruht haben, im März bis April statt. Dazu werden die Felder, welche mit einem aufwändigen und ausgeklügelten Bewässerungssystem aus 1001 Kanälen verbunden sind, geflutet. Nicht so tief, wie für den in Asien üblichen Nassreisanbau, sondern nur wenige Zentimeter. Die Ernte ist dann im September und sie erfolgt mit speziellen Mähdreschern, aber auch erst nach dem Trockenfallen der Felder.
Darüber hinaus gibt es in dieser mückenreichen, aquatischen Welt auch den Ebro als zum Teil noch wilden Strom und mit Auwaldresten. Weiter hat`s viele flache Lagunen mit Brackwasser, Salzwiesen und größere Flächen mit Becken zur Salzgewinnung (Salinen). Die Küsten sind flach, sandig und hier und da findet Dünenbildung statt.
Also es ist keine reine Naturlandschaft, sondern eine Kulturlandschaft. Wie an so vielen Orten der Erde haben sich bestimmte Tier- und Vogelarten besonders mit diesen Bedingungen arrangiert und entwickeln sich bestandsmäßig gut. Man müsste sie auch Kulturfolger nennen; ja sie sind Profiteure des menschlichen Handelns. Nun, wenn es an so vielen anderen Orten auf der Erde Negativbeispiele für den oft schlechten Einfluss des Menschen gibt, dann erfreut mich ein solches Beispiel hier natürlich.
Was gibt es nun für den Naturfreund zu sehen?
Vorbildlich und ähnlich gut aufbereitet wie in der französischen Camargue ist das Netz an kleinen Wanderwegen, Aussichtspunkten und Aussichtstürmen mit Infotafeln.
Deltebre möchte ich auch als Basisstandort empfehlen. Sicher ist die Stadt keine Schönheit, aber es ist halt ein gewachsenes „Malocherdorf“. Reisanbau, Landwirtschaft und etwas Fischerei hat hier immer die Menschen satt gemacht. Tourismus spielt hier im krassen Gegensatz zur übrigen Mittelmeerküste eine untergeordnete Rolle. Es gibt am Ortsrand das passable Hotel „Delta Hotel“. Rund 85,- € im DZ incl. Frühstück. Wer mit dem Camper reist, dem sei der kleine Camping „La Tancada“ empfohlen. Hier ist man sehr nahe an den Flamingos und anderen Vögeln. Der Wiedehopf kommt zum Frühstück.
Leider arbeiten die Bauern mit Schussanlagen zur Vogelvergrämung. Das kann zuweilen den Schlaf stören. Es sollen angeblich Flamingos und Enten in den Reisfeldern gerade in der Mitte der Kultur (Juni und Juli) ernsthafte Schäden anrichten.
Ausflugstipps in die Natur:
- Im Süden der Halbinsel findet man die Lagune „lÈncantyissada“. Das Info-Zentrum hier am Nordufer ist eher Touristenfütterung und kann man getrost auslassen. Aber umrunden sie die flache Lagune ganz in Ruhe. Mit den Füßen oder der Fiets. Velo für die Schweizer. Viele Aussichtstürme um Flamingos, Stelzenläufer, Limikolen und Enten zu sehen. Sichler, Seeschwalben in vielen Arten werden sie begeistern. Ein netter Ort zur Einkehr in den heißen Mittagsstunden ist Poble Nou del Delta im Süden der Lagune.
- Ganz in der Nähe eine weitere kleinere Lagune; „la Tancada“. Hier hat man gute Chancen auf Purpurhühner, Purpurreiher, Rallenreiher. Und hinter der Lagune auch zu einem Bad am Strand. Fährt man hier weiter über die Landzunge über eine Sandpiste über die sog. „Barra del Trabucador“, dann gelangt man nach einigen Kilometern und weiterem kleinen Spaziergang an einen Top-Aussichtspunkt. Hier brüten Korallenmöwen und Brandseeschwalben.
- Zwei Highlights im äußersten Osten der Penisula: Beide erschließen sich nur über Deltebre bzw. dem Schwesterort Sant Jaume. Denn dazwischen liegt der Ebro. Südlich des Ebro empfehle ich die Straße ab Sant Jaume zu nehmen und dann immer an einem Bewässerungskanal entlang zu fahren. Immer wieder gibt`s was zu sehen: In den Reisfeldern tummeln sich Rallenreiher, Zwergrohrdommel, Purpurhühner, Sichler und Entenarten. Ich glaube sogar, hier gibt es fast alle Reiherarten Südeuropas? In einer 90-Grad Kurve dann die die Straße wieder nach Südosten bald bis an den Strand führt, kann man bis zum Ebro laufen. Hier wurden kürzlich auch Wiederaufforstungen vorgenommen und in den Pappeln sitzen gerne Nachtreiher. Nördlich des Ebros finden sie auch noch ein weiteres Feuchtgebiet; allerdings stärker besucht von Badetouristen, die mal einen kurzen Blick vom Aussichtsturm machen möchten. Sichler
- Im Norden des Ebrodeltas empfehle ich ihnen einen Besuch der „Platja (spanisch Playa) de la Marquesa“. Eine Strandwanderung mit „Birdwatching“. Wandern sie Richtung Nordwesten immer am Strand entlang bis zum Leuchtturm. Dann ins Binnenland durch Dünen und die Brutgebiete der Möwen, Seeschwalben, Seeregenpfeifer und Brachschwalben. Die Wege sind so abgegrenzt, dass sie nicht stören. Rund 10 km ohne Schatten! Weiter im Norden des Gebietes finden sie eine andere Beobachtungsstelle gerade für Rallen und Enten: „El Canal Vell“. Von Deltebre Richtung Ost und Riumar fahren und dann links nach Nord abzweigen.
- Ab Sant Carles de la Papita werden Bootstouren angeboten. Diese sind aber eher für Allgemeintouristen gedacht und führen über die riesige Lagune „Port del Alfacs“. Ab Riumar an der Mündung des Ebro, ab Deltebre und ab Amposta werden auch Touren per Boot auf dem Ebro offeriert. Diese sind eher als Landschaftserlebnis zu verstehen, denn als Naturbeobachtungsfahrt.
- Ein Tipp als Tagesausflug in die weitere Umgebung: Das Örtchen Peniscola, Weltkulturerbe. Früherer Papstsitz etc.. Etwa 1 Autostunde nach Süden. Viele alte Steine, ein Touristenort und aber auch ein unverbautes Stück Küste mit Mittelmeervegetation (Zwergpalmen, Zistrosen und Lavendel) und schönen Felsen sowie Sandbuchten südlich des Ortes. Im Naturpark „Serra de la dÌrta“.
- Weiterer sehr lohnender Tagesausflug, diesmal in die Berge: Der Naturpark „Ports de Beceite i Tortosa“. Ein Gebiet mit Geiern, Schluchten, tollen Felsformationen und Beständen des Iberischen Steinbocks. Auch Botaniker kommen hier voll auf ihre Kosten. Auch hier für dieses Gebiet lohnt vorher die Anschaffung einer guten (Wander-)Karte. Denn Beschilderungen sind eher spärlich. Unser persönliches Highlight war der Besuch der Galera-Schlucht in der Nähe von Mas de Barberans und der Fund eines Marmormolches in einem Quelltopf. Der Weg hin oder zurück zum Gebiet führt durch wunderschönes Plantagenland: Orangen, Oliven mit Johannisbrotbäumen. Ideal auch für den Wiedehopf und Bienenfresser!