Politik & Gesellschaft / Spanien

Von Korken und Eichen

"Die spanische Dehesa"
06. April 2021

Europa

Spanien

Der Korkeichenwald in Spanien - Naturschutz zum Anfassen!

Mit meiner Frau Sabrina stehe ich gerade mit dem Caravan in der Extremadura Spaniens. Die aktuelle Situation zwang uns, den Winter nicht wie sonst in Costa Rica zu verbringen. Wir nutzen die Zeit und machten uns im November auf nach Portugal und Spanien. Diese schöne Frühlingslandschaft in den hier lieblichsten Wochen des Jahres mit Blumenwiesen und frisch austreibenden Eichenwäldern erleben zu können ist ein Privilleg. Dann hier bei der Gelegenheit über die Natur zu lernen, macht die Situation erträglich. Es ist eine tolle Chance für uns, diese Region noch genauer zu erforschen. Tiere, Pflanzen und Vögel zu finden in Vorbereitung auf zukünftige Reiseleitungen oder Mietwagenreisen für Gäste.

Offenlandschaft bei Trujillo 

  

Auf Spaziergängen durch die Dehesas, das sind die Stein- und Korkeichenwälder, beim Weineinkauf und beim „Leben“ hier in dieser Gegend, mit offenen Augen und kritischem Blick, da lernen wir verstehen. Verstehen, warum diese Landschaft erhalten bleiben muss. Und warum sie bedroht ist. 

Im Supermercado, der mit dem größten Zulauf in Plasencia und recht deutsch klingenden Namen Lidl, haben wir einen Wein erstanden. Wie sich beim Verzehr herausstellte, ... Verschluss aus Naturkunststoff. Natur, weil er ganz „umweltgerecht“ aus Zuckerrohr hergestellt war. 

Drehverschlüsse, wie man sie zum Teil schon länger in Mitteleuropa findet, sind unter den Spaniern eher verpönt. 

Nun, aber das genau war für mich ein Grund dafür, die mir die Zusammenhänge einmal genauer anzuschauen:

In die Diskussion, was tatsächlich für den Wein, Rot oder Weiß, Länge der Lagerung usw. das Beste ist, möchte ich hier nicht einsteigen... Mein Thema ist hier die Ökologie und Wirtschaft.

Das Ökosystem

Kork ist ein faszinierendes Naturprodukt, welches aus der Borke von Korkeichen gewonnen wird. Der Rohstoff Kork stellt in Spanien einen Industriezweig mit über 20 000 Arbeitsplätzen dar und hält eine sehr alte Natur- und Kulturlandschaft lebendig.

extremadura-spain-2613094_1920.jpghttps://die-naturreise.de/sites/default/files/pictures/lib1/extremadura-spain-2613094_1920.jpgPixabayPixabay
Rinder in der Dehesa 

Dehesa nennen die Spanier die lichten Korkeichenwälder. Sie erstecken sich über die Provinzen Andalusien und der Extremadura auf einer Fläche von über 400 000 Ha. Diese locker bewachsenen Landschaften bieten rund 1/3 des weltweit genutzten Korks. Portugal besitzt noch mehr solcher Korkeichenwälder und sorgt somit für die Hälfte der Weltproduktion. Es stammen somit ungefähr 80 % des Korks aus Iberien.

 

Die Dehesas Iberiens sind jedoch nicht nur Rohstofflieferanten in Sachen Kork. Sie dienen unter anderem als extensive Weideflächen für die glücklichen schwarzen Schweine, Rinder und Schafe. Sie sind Lieferant für Brennholz, schützen die Böden und schattieren die Flächen. Und stellen außerdem wichtige Lebensräume für viele Tier- und Vogelarten wie beispielsweise Mangusten und Ginsterkatzen, den Spanischen Kaiseradler und den Wiedehopf dar.

Viele Wintergäste, wie etwa 55 000 Kraniche oder auch zunehmend Weißstörche, überwintern hier. Das Ökosystem Dehesa wir auch als das Artenreichste Europas bezeichnet.

Jamoneria  
Landschaftliche vergleicht man sie mit der Steppe der Serengeti in Afrikas Osten. Und, das haben wir ja auch schon gemerkt: In der Reisebranche gilt diese spannende Landschaft als besonders attraktive Destination für sanften Tourismus, Naturreisen, Birdwatching und naturnahen Urlaub.

Die Korkproduktion:

Die Korkeiche ist wohl der einzige Baum weltweit, den man so alle 8 Jahre schälen kann. Bis es soweit ist, muss er zwanzig Jahre wachsen, um eine Höhe von 6-8 m und einen Stammdurchmesser von 70 cm zu bekommen. Dann kann die Rinde regelmäßig und bis zu einem Alter von etwa 150 abgeschält werden. 20 bis 60 Kilo bringt ein Baum im Hochertrag dabei. 

Die Arbeit ist reine Handarbeit. Zwei Arbeiter setzen dabei fachkundige Schnitte und schälen den Baum möglichst schonend. Der Baum kann dann wieder neue Rinde bilden und sieht aber zunächst aus, als hätte er seine „Hosen heruntergelassen“. Erst ab der 3. Schälaktion, also im Alter von rund 40 Jahren, hat der Kork die Qualität, die zur Herstellung von Flaschenverschlüssen notwendig ist. Er wird ja weiter noch im Baubereich für Böden, zur Dämmung oder für Schmuck und Mode verwendet.

korkeichecsimon-pixabay.jpghttps://die-naturreise.de/sites/default/files/pictures/lib1/korkeichecsimon-pixabay.jpgSimon/PixabaySimon/Pixabay
Korkeiche  

  

Wenn nun die Rinde geerntet ist, warten weitere Verarbeitungsschritte: 

Ein bis zwei Jahre werden die Platten unter freiem Himmel gelagert. Sie müssen bei guter Luftzufuhr trocknen. Und vor Langfingern geschützt werden. Was oft erklärt, warum und zum Ärgernis für Wanderer und Vogelbeobachter, fast alle Flächen abgeschlossen sind. 

Anschließend werden die Platten gedämpft und auf Paletten gelagert. Dann noch einmal und nach weiteren Monaten der Lagerung zur Desinfektion in heißem Wasser für eine Stunde gekocht. Das ergibt die gewünschte Elastizität. 

Nach weiterer Trocknungszeit von rund 2 Wochen wir das Material dann kritisch nach Qualität sortiert. Der Bau bekommt die schlechteste Ware. Der Wein die Beste. 

 

Die Platten werden nun in Streifen geschnitten und der Korken ausgestanzt. Spanien produziert rund 3 Milliarden Stück im Jahr, Portugal 10!

Wiedehopf in der Extremadura 

Ein guter Korken aus einem Stück kostet bis zu 1 €. Verleimte, aus Presskork hergestellte Ware ist natürlich billiger. Zum Vergleich kosten Kunststoff-“korken“ rund 10 ct und Schraubverschlüsse ca. 20 ct.

Die Zukunft dieser Landschaft:

Zunehmend sehe ich Flächen, welche in kritischem Zustand sind. Bäume, wie Stein- und Korkeichen, die Schäden aufweisen. Auch wegen geringerer Niederschläge (Klimawandel) oder schlechterer Schnittpflege (wegen gestiegener Löhne). Dann Flächen, die in intensive und bewässerte Olivenhaine umgewandelt werden. Gegen nicht bewässerte Olivenpflanzungen in weitem Stand und extensiver Bewirtschaftung ist kaum etwas einzuwenden. Aber wer mal gesehen hat, wie sich das Bild wandelt, der hat Tränen in den Augen. Oliven in Intensivkultur, Reihenpflanzungen die nur noch maschinell geschnitten und beerntet werden, erzeugen billigstes Olivenöl. So wünscht es der Verbraucher: „Lidl ist billig“. 

Oder Flächen, die in von der EU geförderte Avocadoplantagen verwandelt werden. Auch mit Bewässerung, obwohl hier überall das Wasser knapp ist und die Pegel des Grundwassers sinken. 

 

Aber es gibt auch gute Ansätze. Unterschutzstellung ganzer Landschaften mit besonders wertvollen offenen Wäldern. Spanien hat viel mehr Flächen als Nationalparks oder (vergleichbar) als Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen, als ganz Mitteleuropa zusammen. 

Der Naturtourismus sorgt bei der Bevölkerung ein wenig für eine Einkommenskompensation durch sinkende Korkpreise. 

Der Autor

Stephan Martens

Die Natur ist meine Leidenschaft. Und mein Traumberuf seit über 20 Jahren Reiseleiter: Genauer gesagt bin ich Naturreiseleiter und leite auch Ornithologische Touren. Ökologische Zusammenhänge und die anthropogenen Auswirkungen finde ich spannend. Mit Gästen Naturbegeisterung teilen, das gefällt mir.

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