Man braucht nicht unbedingt nach Costa Rica fliegen, um eines der Top-Länder in Sachen Vögel zu besuchen. Die Niederlande zählen mit Recht, obwohl sie eines der dichtbesiedelten und industriellsten Länder der Welt sind, zu den absoluten Birding-Hotspots. Auf der überschaubaren Gesamtfläche Hollands gibt es ein perfekt erschlossenes Netzwerk von gut geschützten Naturgebieten. Naturparks, Privatparks und Nationalparks. Es kann sich wirklich sehen lassen und es ist sogar konkurrenzlos, was die Niederländer ihren Naturfreunden und Gästen bieten. Es ist nämlich nicht alleine der auch je nach Jahreszeit so unterschiedliche und vielseitige Vogelbestand unseres nordwestlichen Nachbarn, sondern eben auch die Erschließung, die Aufbereitung und Präsentation der Naturschätze.
Liebe Vogelfreunde aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, bitte denken sie nun nicht an Vermarktung oder Überregulierung á la Zoo oder Vogelpark. Nein, es ist wirklich vorbildlich und gerade die deutschen, „großen“ Nachbarn täten gut daran, sich davon eine Scheibe abzuschneiden!
Gut in die Landschaft integrierte Infozentren, oft zurückhaltende nachhaltige Holzgebäude mit Dachbegrünung bieten öffentlichen Verkehrsanschluss, „Fietsenparkplätze“ (Fahrrad, Velo) und Autoparkmöglichkeiten für „gratis“. Draußen Kinderspielmöglichkeiten von Gerüst, Schaukel bis „Entdeckungsteich“, drinnen Infos, Wanderkarten, Ausstellung und meist ein gemütliches Café. Mit, wie in Holland sehr üblich, großen Fenstern ohne Gardinen und einer Wohlfühlatmosphäre auch mal bei Schauerwetter, wenn es eben gibt vor der Naturexkursion eine Wartezeit zu überbrücken. Einige Infozentren, wie das auf der Vogelinsel Texel, bieten sogar Stative und Ferngläser zur Miete und zum Kauf an. Dann, wieder draußen in der Natur, ein Netz von Wanderwegen, mit naturbelassenen Wegebelägen oder auch, in feuchten Bereichen, Holzstege. Gut markiert, mit Hilfe eines modernen Wegepunktesystems. Karten dazu gibt es online oder im Infozentrum. Hier irrt keiner durch die Pampa oder verläuft sich. Mit langem Wegsuchen braucht man sich nicht aufhalten, sondern der Vogelfreund kann sich voll der „Arbeit“ mit Fernglas und Kamera widmen. Es gibt sicher dazu keine Zahlen, aber ich würde behaupten, es gibt kein Land der Welt, wo es so eine große Dichte an Vogelbeobachtungsständen und Hütten gibt. Und zwar auch gut gepflegt, nicht zugemüllt, verschmiert oder gar verschlossen, wie so oft in anderen Ländern.
Eine Frage des Stellenwerts!
Es gibt aber nicht nur aus den streng geschützten Bereichen wie Naturparks oder Nationalparks Positives zu berichten. Privatleute, auch Bauern, Förster, Jäger und Landschaftsbehörden, Städte und Kommunen sind schon eine Stufe weiter, als bei uns. Natur und Vögel haben auch, dank sehr vieler aktiver engagierter Fans (die Niederländer haben anteilig viel mehr Ornis, als in deutschsprachigen Landen), einen ganz anderen Stellenwert.
Für seltene Wiesenbrüter zum Beispiel wird viel mehr Aufwand betrieben, Ausgleiche an Landwirte gezahlt, Flächen stillgelegt oder zeitweise stillgelegt. Die Behörden in den Niederlanden arbeiten deutlich schneller und unbürokratischer; das Allgemeininteresse und Recht hängt immer doch etwas höher, als das Privatrecht. Den Erhalt von wertvollen Bäumen lässt sich eine Stadt was kosten, Straßen und Bauvorhaben müssen sich da eben anpassen. Viel Grün auch in Ballungsräumen zu erhalten und auch zu vermehren, ist aktiver Klimaschutz und eine Vorbereitung auf unangenehme höhere Temperaturen in der Zukunft. Ziel in der niederländischen Politik ist es nun, in den kommenden Jahrzehnten Biotopverbünde zu schaffen. Die Flickenteppiche einzelner Naturgebiete miteinander zu verbinden. Aber auch das Hauptübel, die zu intensive Landwirtschaft etwas zu extensivieren, soll bald angefasst werden.
Wann sind wo die Birds?
Wer in den Niederlanden nun Birds schauen möchte, der sollte genau überlegen, wann er wohin reist. Denn je nach Jahreszeit ist die Artenzusammensetzung eben sehr unterschiedlich. Ohne hier nun Einzelhinweise zu geben (es würde den Rahmen sprengen) sei darauf hingewiesen, dass im Winter viele Sibirier und Skandinavier zu Gast an den Küsten sind. Wie überall in Europa ist es im Frühling wegen des Brutgeschehens am interessantesten. Darüber hinaus gibt es aber im Frühjahr und im Herbst ein fantastisches Durchzugsgeschehen an den Küsten, welches ohne Vergleich ist. Limikolen und Co. ziehen zu Hunderttausenden von Afrika nach Norden. Und der Sommer? Sicher sind auch noch viele Vögel in den Niedelanden mit dem Brüten beschäftigt, erste Jungvogelschwärme lassen sich übermütig durch die Landschaft treiben und ab August ist auch schon wieder Zugzeit. Aber Sommer ist an der Küste auch menschentouristische Hochsaison, die Niederlande sind ein beliebtes Reiseziel, gerade für Camper und Ferienhausliebhaber.
Vier Hotspots der Vögel in den Niederlanden
Ideal ist sicher, und wenn man 14 Tage Zeit hat um eine Runde durch das Land zu reisen, welche alle Lebensräume abdeckt. Vier Groß-Lebensräume kann man dazu nennen:
- Das Binnenland mit Rhein/Waal und Maas in der Provinz Limburg an der Grenze zu Deutschland und im Südwesten Belgien. Hier finden sich kleinräumige landwirtschaftliche Strukturen mit großen Flüssen, renaturierte Kiesseen, Altarmen, Mooren, Binnendünen und auch immer wieder Forste und wertvollere Wälder. Der Nationalpark Maasduinen ist sicher mit dem Nationalpark De Peel oder Nationalpark Meinweg gut von einem zentralen Standort wie der Gemeinde Arcen an der Maas zu besuchen.
- Zweiter Großraum kann Friesland im Norden und nahe der Küste sein. Der Nationalpark Lauwersmeer und die Nordseeinsel Schiermonnikoog genießen bei Naturfreunden einen guten Ruf. Ein zentraler Ort für einige Tage Aufenthalt kann Dokkum oder Zoutkamp sein. Hier herrschen Wiesen mit Gräben vor, das Lauwersmeer ist heute ein Flachwasserniedermoor, war früher eine Bucht des Wattenmeeres. Hier jagen und brüten sogar Seeadler. Schiermonnikoog, mit der Fußgängerfähre erreichbar, ist wohl die schönste aller Nordseeinseln.
- Dritter Hauptlebensraum, dritte Station auf einer Naturreise durch die Niederlande kann dann die Insel Texel sein. Sie wird ja mit Recht schon „Vogelinsel“ genannt und ist solitär auch ein Reiseziel für sich. Ein quasi kleiner Kontinent mit allen Nordseelebensräumen von ausgedehnten Dünengebieten (Nationalpark) bis Binnenseen. Seestrand und Wattenmeer. Der Vogelbeobachter findet eine perfekte Infrastruktur vor. Mit mehreren Infozentren, Privatführungen und vielen Wanderwegen extra für Ornis. Texel können sie ohne Anmeldung einfach über die Fähre mit dem Auto erreichen oder natürlich auch mit den Öffis. Unterkünfte gibt es in allen Dörfern zuhauf und in allen Ausführungen. Leider nicht billig und in der Hauptsaison muss man lange vorreservieren.
- Die finale Station auf einer Niederlande Rundreise könnte dann der Lebensraum Rheindelta in Zeeland sein. Ein Gewirr von Flussarmen, Strömen, abgedeichten und gezeitenabhängigen Meeresbuchten mit Wattflächen und feinsandiger Nordseeküste. Highlight ist sicher der Nationalpark Oosterschelde. Die Gegend um Zierikzee sicher ein guter zentraler Standort für Ausflüge.
Wer nun nicht nur die Natur unseres Nachbarlandes kennen lernen möchte, der sollte schon mehr Zeit einplanen als die o a zwei Wochen. Und da wird eben auch sehr viel geboten, nicht nur Windmühlen, Klompen und Käse. Museen in vielen Städten, auch historische Freilichtmuseen, Naturhistorische Museen oder Zoologische Gärten mit Vorbildcharakter (Burgers Zoo, Arnheim), Botanische Gärten etc. sind zumeist zweisprachig oder dreisprachig erläutert.